Schattenintegration nach Ken Wilber (3-2-1 Prozess)

Schattenintegration nach Ken Wilber (3-2-1 Prozess)

18. September 2018 0 By marcel

Eine Möglichkeit Automatismen / Projektionen wahrzunehmen und aufzulösen ist die Schattenintegration nach Ken Wilber. Schattenintegration heißt, unbewusste Anteile wahrzunehmen und zu integrieren. 3-2-1 Bezieht sich dabei auf die Perspektiven: Man betrachtet zunächst die Situationen aus der dritten Person, geht danach in die zweite Person (Dialog) und dann in die erste Person. Diese Abfolge des Perspektiven-Wechsels ist deshalb sinnvoll, weil jeder Schattenanteil ein abgespaltener Aspekt unseres Seins ist. Wir trennen Anteile von uns ab, weil wir diesem Teil in uns nicht wahrhaben wollen oder nicht haben dürfen. Gefühle wie Angst, Wut oder Trauer dürfen nicht gefühlt werden – deshalb unterdrücken wir sie.

Die Abspaltung läuft in drei Schritten ab:

  1. Zunächst wird das Gefühl wahrgenommen. Angenommen man spürt Trauer. Diese Trauer wird aber unterdrückt (“Ich darf das nicht spüren, weil…”)
  2. Dadurch wird die Trauer zu einer “abgetrennten Sache”. Es ist nicht mehr ein natürliches Phänomen, welches auftauchen darf. Vielmehr kommt es zu einer ersten Trennung zwischen “ich” und “Trauer”, kombiniert mit einem Gefühl des Nicht-Sein-Dürfens.
  3. Nach einiger Zeit des Unterdrückens wird die Wahrnehmung des Gefühls unmöglich. Es mag den Anschein haben, dass “Trauer” einfach kein Problem mehr ist, weil sie nicht mehr gespürt wird. Eine Unterdrückung zeigt sich dann, wenn man mit anderen Menschen in Berührung kommt die Trauer empfinden. Eine solche Begegnung führt zu einer starken emotionalen Reaktion. Diese muss nicht zwingend Trauer sein. So kann der Betroffene eine starke Aggression gegenüber der trauernden Person empfinden (“Weichei!”) oder übertriebenes Mitgefühl.

Ich empfehle eine tägliche Anwendung der Schattenintegration mit einer Person, die am vorangegangenem Tag auffällig war. Das heißt: Wenn jemand mir besonders negativ oder besonders positiv aufgefallen ist, ist diese Person ideal für eine Schattenintegration. Natürlich beschränkt sich der Prozess nicht nur auf tagesaktuelle Begegnungen. So ist die Anwendung auch mit Personen möglich, mit denen wir auffällige Erfahrungen gemacht haben.

Schritt 0: Bequeme Sitzposition einnehmen und durchatmen. Kurz Zeit nehmen um durchzuatmen, präsent zu sein und die eigene Aufmerksamkeit zu sammeln.

Schritt 1: Die Erfahrung wahrnehmen: Die Erfahrung aus der dritten Person, also aus der Beobachterperspektive beschreiben: Wo? Wann? Wer? Was ist passiert? Kurz beschreiben, “reinfühlen”.

Schritt 2: Einen Dialog vorstellen: In Schritt 3 stellt man sich vor, dass die Person gegenüber von einem sitzt. Es geht darum die eigene Wahrnehmung der Begegnung zu beschreiben, Gefühle auszudrücken und alles frei und offen anzusprechen.

Schritt 3: Die andere Perspektive annehmen: Mit Hilfe der Imagination die Rolle der anderen Person im Gespräch annehmen. Aussprechen, wie die neu angenommene Sicht der Situation ist, welche Gefühle spürbar sind.

Schritt 4 (Optional): Perspektivenrotation: Die Perspektiven 3, 2 und 1 so oft durchlaufen, bis alle Emotionen integriert sind.

 

 

 

Photo by Isai Ramos on Unsplash